Fan Stories 1 | ||
|
29. Juni, Abendvorstellung Daß wir Karten für die drei letzten Shows von PhdO in Hamburg hatten, ließ das Gefühl eines Countdowns aufkommen, als wir wieder einmal die Neue Flora in Hamburg betraten. Wir hatten das nicht so
geplant. Doch als wir die Karten für die Aufführung des heutigen Abends
buchten, war es Dezember, wir wollten damit den elften Geburtstag von PhdO
in Hamburg feiern und konnten nicht ahnen, daß diese Show eine der
letzten sein würde.... Nun, jetzt waren wir hier,
es war wirklich der elfte Geburtstag von PhdO in Hamburg – aber es war
wenig zu feiern übriggeblieben... Doch mit etwas Glück würden
wir IJB zwei letzte Male als ‚Phantom’ sehen. Ich war im Phantom-Dreß,
wie schon einmal bei einer Benefiz-Gala im Mai (vielleicht erinnert IJB
sich daran), mit einem hausgemachten Frack, selbstgefertigter Halbmaske
und phantomgestyltem Haar, das sich wie ein Helm aus Glas anfühlte. Es
erfordert viel Aufwand, mein Haar in Form zu halten... Warum mache ich so etwas? Es
ist zwar nicht leicht zu erklären, doch ich mache so etwas nicht ‚just
for fun’. Ich versuch’s mal zu erklären... Ich liebe Webbers Musical.
Ich liebe die eigentliche Geschichte, und ich habe größte Sympathien für
Erik, den Menschen hinter der Maske. Ich kann die Art und Weise, in der
jedermann aus der Geschichte Kapital zu schlagen versucht, indem man Erik
erneut ans Licht der Öffentlichkeit zerrt – was er zeit seines Lebens
gehaßt haben muß - nicht leiden, und ich versuche, die Menschen an die
ursprüngliche Geschichte hinter dem Musical, den wirklichen Mann hinter
der Maske, zu erinnern, indem ich ihnen einen echten Menschen mit dieser
Maske zeige, der wie sie umhergeht, redend, colatrinkend und so real wie
jeder andere auch. Eriks Geschichte ist unsere
Geschichte. Jeder Mensch trägt irgendeine Art von Maske. Und es gibt
Tausende von Menschen wie Erik, ausgestoßen, weil nicht der Norm
entsprechend. Ehrlich gesagt, war es natürlich
auch ein Riesenspaß... Wie auch immer. Die Türsteherin
war leider nicht so beeindruckt, wie ich gehofft hatte, also war es doch
ganz gut, daß wir normale Karten hatten – Loge Fünf kam wohl nicht in
Frage... Tja, am Eingang also überhaupt
kein Humor – auf in’s Foyer. Der erste Blick gilt der Besetzung. Jawohl, klasse, Glück
gehabt:
IJB spielt das Phantom. Der erste und größte
Lichtblick des Abends. Jeder folgende basierte auf diesem ersten. Und so
ermahnte ich mich, nicht an morgen zu denken, wenn der endgültige
Abschied drohte, sondern diese Aufführung mit all unseren Lieblingssängern,
unseren bevorzugten Plätzen erste Reihe, Mitte und der herrlichen Musik
von PhdO zu genießen. Die Lichter gingen aus, mein
Mann und ich lehnten uns zurück und harrten der Dinge, die da kommen
sollten. Und die Show begann. Tja, was soll ich darüber
sagen? Es war die beste Vorstellung,
die ich je gesehen habe. Alle Darsteller waren in Höchstform an diesem
Abend, es schien mir, als gäben sie die Abschiedsvorstellung für die
Fans, wohl wissend, daß der nächste Abend mit der wirklich letzten
Vorstellung den VIP’s vorbehalten sein würde. Sie waren allesamt brillant:
Colby Thomas so jung und unschuldig, wie Christine es sein sollte, mit
einer wunderbaren Stimme, die verständlich machte, warum das Phantom sie
seinen ‚Engel der Muse’ nannte, Raoul, verkörpert von Kyle Gonyea,
einfach großartig, Vera Borisova wie eine große Diva und mit einem
komischen Talent, das für die Rolle der Carlotta ideal war, Christopher
Morandi (der ansonsten in Hamburg auch den Raoul gab) und David Hunerjager
als Direktorenpaar aus voller Kehle und mit einem Augenzwinkern singend.
Piangi, gesungen von Marcello Ronchietto, wundervoll und so italienisch
(‚Oh, Rrroma!!’), Don Attilio, von Peter Graham kraftvoll und mit dem
richtigen Schuß Albernheit gesungen, und Mme Giry, seriös wie immer, von
der wunderbaren Karin Westfal gespielt. Ja, sie alle waren großartig,
die Genannten wie die Ungenannten – doch IJB übertraf alles. Ihr, die Ihr das lest, kennt
IJB und habt ihn singen gehört, so muß ich nicht viel dazu sagen. Das
ist gut so – denn wie beschreibt man ein Phänomen? Dieser erste Refrain von ‚Musik
der Nacht’ mit seinem sanften Mezzopiano – niemand singt das so wie er,
mit dieser leichthin schwebenden Stimme – es klingt so einfach...na gut,
für ihn ist es das auch. Und derselbe Ton im nächsten Refrain ein klares,
kraftvolles Fortissimo, und man weiß, er könnte deutlich höher singen,
wenn er wollte. Er ist die perfekte Besetzung für diesen Song, denn seine
Stimme stößt an keine Grenze. Weder sein tiefster noch sein höchster möglicher
Ton wird auch nur gestreift...Nicht viele Leute können das von sich
behaupten! Und als wäre eine so klare,
starke, warme und schöne Stimme nicht genug, ist er ebenfalls ein
begnadeter Schauspieler. Sein Spiel war so gut, daß man ihn nie spielen
sah – das war Erik dort vorne auf der Bühne. Da war kein IJB mehr zu
sehen – nur Erik selbst. Was für ein Talent! Was ich immer schon wissen
wollte, ist, was genau IJB eigentlich macht, während er dort in dem Engel
wartet. Ich weiß, er sagt, er denkt über die Szene nach, wie Erik sich fühlt,
wenn er Christines Rede hört und wie sehr ihn das schmerzen muß. Doch
der Engel pflegte immer zu schwanken, wenn IJB darin war. Das muß eine
rastlose Art des Nachdenkens gewesen sein, die solch ein Engelbeben
verursachte! Das Resultat solch
engelerschütternden Nachdenkens war eine Wiederholung von ‚Mehr will
ich nicht von Dir’, so bewegend, so unvergeßlich herzzerreißend und zu
Tränen rührend, wie eben nur IJB das singt. Und dann stieg der Engel
wieder empor, wie in jeder Vorstellung, und wann immer ich das sah,
stockte mir der Atem, denn IJB pflegte dabei mit ausgebreiteten Armen
darin zu stehen. Es würde einer so geringen Abweichung im vorgezeichneten
Weg des Engels zum Catwalk des Phantoms für einen Unfall bedurft haben,
sodaß mir immer ein Stein vom Herzen fiel, wenn er endlich oben war! Ihr alle kennt den Weg des
Phantoms über der Bühne, und IJB ging ihn wie immer – mit einer
kleinen Abweichung: Eigentlich hätte er nach oben schauen müssen, um den
Fall des Kronleuchters zu befehlen, doch statt dessen lehnte er sich über
die Balustrade und schaute hinab. Herr
Bourg, was haben Sie
dort nur gesehen? Die Pause verbrachten wir
mit dem erfolgreichen Versuch, eine Cola und etwas Kaffee zu ergattern –
ich weiß, seltsame Getränke für das Phantom, doch dieses Phantom
brauchte dringend Koffein. Es gibt einen Phantom –
Fanclub in Deutschland, und Mitglieder dieses Clubs hatten Sitze in der
ersten Reihe. Nach der Pause hatten viele von ihnen Blumen dabei. Eine schöne
Idee. Ich habe nie versucht, irgend etwas auf eine Bühne zu werfen, denn
ich bin ein gnadenlos schlechter Werfer, aber mehr davon später. Ich habe nie verstanden,
warum Webber seinen ‚Don Juans Triumph’ so mißtönend komponiert hat,
denn in der Originalgeschichte liebt Christine Eriks Musik, da kann sie
nicht allzu avantgardistisch gewesen sein. Doch wir kamen zum großen
Finale, und IJB übertraf sich selbst. So etwas habe ich nie zuvor erlebt. Sein Erik, mit dem
Brautschleier fummelnd, hin- und hergerissen zwischen Liebe, Wut und
Zweifel, war ein schüchterner, verwundbarer Mann, der seine Tränen
hinter der Maske zornigen Sarkasmus’ verbarg. So hat IJB das viele Male
vorher gezeigt, doch an diesem Abend schien es ihm besonders von Herzen zu
kommen. Wie ich schon sagte, er
spielte das Phantom nicht, er war es. Mehr als sonst. Sein Erik stand da,
versuchte verzweifelt und vergeblich, die Kontrolle zu behalten und
wartete völlig gebrochen auf Christines Entscheidung (oh Colby, Sie waren
großartig!) und verlor doch die Kontrolle über beides, die Situation und
seine Gefühle, im Moment der Erlösung durch Christine. Es ist so eine
beeindruckende Szene, wenn Erik, umarmt und geküßt von Christine – die
Erfüllung all seiner Träume – einfach nicht weiß, was er mit seinen Händen
anfangen soll, wenn er, der keinerlei Erfahrung mit Zärtlichkeit hat,
dann über die Bühne stolpert, als fehle ihm die Kraft, auch nur die
Orgel zu erreichen und dabei scharf nachdenkt, was er nun als nächstes
tun soll. Oh, ich fand
IJB’s
Gesichtsausdruck ‚Ich würde doch Raoul nie etwas zuleide tun, was
denkst Du nur von mir’, wenn Erik Raoul befreit, so herrlich! Und wie
schade, daß es so scheint, als dürfte ich das nie mehr sehen! Und wie unhöflich, einen
Raum zu verlassen, wenn einem jemand seine Liebe gesteht – doch
Christine tat es. Der arme Erik verschwand,
und die Show war vorbei. Diese Freitagabendshow vom
29.06.2001 war einfach unvergleichlich. Jeder außer uns (Michael
Nicholson weiß, warum) warf Blumen auf die Bühne, wir alle applaudierten
mit Standing Ovations, und die Akteure waren erschöpft, aber glücklich.
Sie alle sammelten ihre Blumen auf, doch IJB schoß den Vogel ab: er fing
all seine Blumen, eine nach der anderen, im Flug. Wir mögen es nicht, Leute
zu belästigen, indem wir an Bühneneingängen herumhängen, so war’s
das für uns an diesem Abend – abgesehen von den 140km Heimweg und der
Tatsache, daß ich mit dem Hammer auf meine Haare würde losgehen müssen,
um die Pfunde an Wetgel und Haarspray, die meine Haare phantommäßig
stylten, sich aber mittlerweile wie ein Helm aus Beton anfühlten, zu
knacken. Wer schön sein will, muß leiden... Tschüs bis morgen! Fortsetzung folgt.
|